Anne in China
Sonntag, 3. Februar 2008
Mal was anderes: Olympiade!
Ziel: Platz eins im Medaillenspiegel bei Heim-Olympia

Ausländische Trainer für chinesisches Gold

Das Ziel Chinas ist ehrgeizig: Bei Olympia im eigenen Land wollen die Gastgeber Platz eins im Medaillenspiegel. Doch bisher taten sich Chinas Olympioniken gerade in den Disziplinen, in denen es viel Edelmetall zu gewinnen gibt, besonders schwer. Abhilfe sollen Startrainer aus aller Welt schaffen.

Aus Peking berichtet Frank Hollmann für tagesschau.de.

"In China gilt nur Gold. Silber und Bronze zählen nicht." Christian Bauer gibt sich über seinen Auftrag keinen Illusionen hin. Der Elsässer soll dem chinesischen Fechtverband in Peking Olympiasiege bescheren, nur dazu haben sie den früheren Säbelnationaltrainer Frankreichs und Italiens verpflichtet. Sie hätten keine bessere Wahl treffen können, meint sein Freund Matthias Behr, Olympiasieger von Montreal 1976 und heute Internatsleiter am Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim: "Er ist einfach der Weltbeste."

Kaum Tradition in vielen Disziplinen

Bauer ist nur einer von vielen internationalen Weltklassetrainern im Reich der Mitte. Bei Olympia im eigenen Land will China die USA als Nummer eins im Medaillenspiegel ablösen. Dafür aber reichen die einkalkulierten Erfolge in den Paradedisziplinen wie Turnen, Tischtennis, Schießen oder Turmspringen nicht. Vor allem in der Leichtathletik, im Schwimmen, beim Rudern und beim Kanu haben Chinas Athleten in Athen kaum etwas gerissen - ausgerechnet in den Disziplinen, in denen besonders viele Medaillen vergeben werden.
Das sollen die Gastarbeiter im Trainingsanzug ändern. In vielen Disziplinen haben die Chinesen kaum eine Tradition, geschweige denn eine Auswahl an qualifizierten Betreuern. Für den Erfolg zahlen Pekings Sportfunktionäre nicht nur üppige Honorare, sie werfen sogar alte Ressentiments über Bord. So werden die Synchronschwimmerinnen nun von Masyo Imura trainiert, obwohl die Beziehungen zu Japan noch immer angespannt sind. Bis heute weigert sich der Inselstaat, sich für das Massaker von Nanjing 1937 und die Gräuel im Zweiten Weltkrieg zu entschuldigen. Vor diesem Hintergrund bezeichnete selbst die englischsprachige Tageszeitung "Shanghai Daily" die Verpflichtung einer japanischen Trainerin als "überraschenden Coup".

Chinas Trainer kommen auch aus Japan und den USA

Die Liste lässt sich fortsetzen. Der Amerikaner Michael Chang, der erste chinesischstämmige Sieger bei einem Grand-Slam-Turnier, berät Peng Shuai, eine der besten Tennisspielerinnen des Landes. Um den Hockeykader kümmert sich Kim Chang-Back, Chinas Handballmannschaft hat Kang Jae-won übernommen, beides sind Südkoreaner.
Auch Chinas Fußballteams haben ausländische Coaches. Nach der Frauen-WM im eigenen Land löste die Französin Elizabeth Loisel die Schwedin Marika Domansky-Lyfors ab, beide waren zuvor schon Nationaltrainerinnen in ihren Heimatländern. Bei der Fußball-WM der Männer in Deutschland betreute Radomir Dujkovic noch die Überraschungsmannschaft von Ghana. Nun coacht er Chinas Olympiaauswahl.

Doch in den chinesischen Medien stehen die ausländischen Startrainer nicht unter Artenschutz. Unlängst sah sich der populärste Sportler des Riesenreiches, NBA-Star Yao Ming genötigt, seinen litauischen Trainer Jonas Kazlauskas als "großen Mann" zu würdigen. Er sei die beste Wahl, Chinas Basketballer zu Olympia zu führen. Genau das hatten Zeitungen bezweifelt, nachdem das Nationalteam sich 2007 in Europa eine Klatsche nach der anderen einfing, unter anderem auch in Hamburg gegen Deutschland. Inzwischen erhöhte die CBA, der chinesische Basketballverband, den Druck weiter. Das olympische Viertelfinale sei das Minimalziel, sowohl für die Herren als auch die Damen. Die trainiert ein Australier: In Athen saß Thomas Maher noch auf der neuseeländischen Bank.

Freizeit? - "Die Leute verstehen das nicht"

Dass Chinas Funktionäre eigene Vorstellungen haben, hat auch Christian Bauer schnell gelernt: "Gleich am Anfang rief mich der Sportminister an und fragte: 'Warum haben die Fechter zwei Wochen frei?' Ich sagte ihm, das sei auch nötig. Sie müssten sich ausruhen und alles verarbeiten. Jetzt ist es okay, aber immer wenn ich eine Woche frei gebe, lächeln die Funktionäre. Die Leute verstehen das nicht."
Doch im Gegensatz zu Basketball-Coach Kazlauskas hat Bauer Ruhe, seine Erfolge ließen die Kritiker verstummen. Als er die Säbelfechter übernahm, waren sie Lichtjahre von der Weltspitze entfernt. Nun ist seine beste Athletin Tan Xue Weltranglistenerste, Wang Jingzhi steht bei den Männern auf Rang vier. Bauers Trainingsmethoden fruchteten binner weniger Monate: "Als ich ankam, hatte ich 18 Fechter und alle waren verletzt. Fechten ist zu 99 Prozent Kopfsache. Und sie hatten nur die Physis trainiert. Der Körper hat Grenzen. Zuviel arbeiten ist nicht gut."

"Mit dem Kopf durch die Wand"

Ähnliche Erfahrungen machte auch Kanu-Legende Josef Capousek, mit 17 Goldmedaillen der erfolgreichste Trainer in deutschen Diensten bei olympischen Sommerspielen überhaupt. Davon träumt auch Capouseks neuer Arbeitgeber und musste zunächst umlernen: "Die Chinesen wollen manchmal mit dem Kopf durch die Wand. Hier wird jeden Tag gegen die Sportuhr gefahren, jeden Tag gibts Ranglisten. Erholung ist für Chinesen Faulheit. Ich muss die Trainer zwingen, damit sie begreifen, dass Sportler Pausen brauchen."

Stand: 02.02.2008 12:01 Uhr

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